Dem Neuhauser Norbert Neugirg fiel in seiner Glosse zum „Budenzauber“ auf, dass in den letzten Jahren bereits in Ortschaften ab drei Einwohnern aufwärts ein beängstigender Anstieg von adventösen Glühweinaufläufen zu beobachten sei. Brühpech, Bienenwachs, versengte Nikolausbärte, betagtes Frittierfett, Warzentinktur, Waffenöl, überhitzte Mandeln, mit Ketchup gelöschte Schaschliks, flambierte Bratwürste, siedende Glühweinwannen, Modelleisenbahnleim, keimtötende Räucherstäbchen, Fichtennadel-Klosettsteine und tief gefrorene Gänsetorsos melden über den Geruchsnerv dem Hirn, dass es Weihnachten und Zeit für die Erlösung wird.“ (Der neue Tag, 8. Dez. 2007)
Historische, romantische Weihnachtsmärkte auf Schloss/Burg Bösenstein (Name geändert) mit mittelalterlichem Lagerleben, wahlweise Markttreiben, Gauklern, lebender Weihnachtskrippe, umrahmt von heimatlicher Volksmusik im Ritterkeller und martialisch auftretenden Security-Leuten an den Eintrittsschleusen, organisiert vom adeligen Event-Team, zeigen ebenfalls deutlich den Verfall von Tradition zu Kommerz, von den Bratäpfeln zur Bratwurst, überdeckt vom allgegenwärtigen Glühweindunst.
Christoph Wirtz (Nie wieder Weihnachtsmärkte! in Stern 49/2007) kennzeichnet den Besucher in einer Glosse noch drastischer: Wer sich zwischen Erzgebirgsschnitzereien aus China um muffige Verschläge drängt, um klebrigen Fusel mit dem Aroma von Nagellackentferner und Klostein aus angeschlagenen Kaffeepötten zu saufen, der ist zweifellos gescheitert am Minimalanspruch jedes kultivierten Mitteleuropäers.
Der Philosoph Theodor W. Adorno hat in seinen Reflexionen aus dem beschädigten Leben solche Entwicklungen lange vorausgesehen und mit stilistischer Prägnanz beschrieben: „ es ist keine Schönheit und kein Trost mehr außer in dem Blick, der aufs Grauen geht, ihm standhält und im ungemilderten Bewusstsein der Negativität die Möglichkeit des Besseren festhält“. (Minima Moralia)
Eine stille und besinnliche Adventszeit wünsche ich allen Lesern dieses Blogs.